Die Unternehmensfinanzierung in Deutschland

Ein bedeutsamer Unterschied zwischen Europa und den USA ist die hohe Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft vom Bankkredit. Viele Kennzahlen belegen dies. In der europäischen Unternehmensfinanzierung spielt der Aktienmarkt im Vergleich zur USA nur eine ungeordnete Rolle; dies illustriert z.B. die Kennzahl Marktkapitalisierung der börsennotierten Unternehmen im Verhältnis zum Volumen der Bankkredite an Privatunternehmen sehr schön.

Finanzierungsstruktur der Wirtschaft

Und auch bei der Fremdfinanzierung ziehen europäische Unternehmen Banken dem Kapitalmarkt vor und nutzen nur in geringem Umfang den Anleihemarkt – auch ganz im Gegensatz zu den USA.

Euroland ist Bankenland. Das aggregierte Bilanzvolumen europäischer Banken im Verhältnis zum GDP ist gut drei bis vier Mal höher als in den USA. Und auch alle Rekordmeldungen bei den Neuemissionen von Corporate Bonds seit 2012 werden daran auf absehbare Zeit nur wenig ändern.

Steigt man tiefer in die Thematik ein, so stößt man auf vielfältige Ursachen für diese Entwicklung. Das Verhältnis von Bilanzvolumina von Banken zu Bilanzvolumina Asset Manager (Pensionsfonds, Versicherungen, Investment- und Hedgefonds) ist gerundet gerechnet in den USA 1 zu 3 und in Europa gerade umgekehrt 3 zu 1 (OECD Daten).

Bei den institutionellen Investoren dominieren in Euroland Banken und Versicherungen, es fehlen weitgehend die großen Pensions- und Hedgefonds, Private Equity Gesellschaften und Stiftungen, die in den USA den Kapitalmarkt bestimmen.

Und auch das Anlageverhalten der privaten Haushalte unterscheidet sich fundamental von dem der USA. In den letzten fünfzig Jahren hat sich die Geldvermögensbildung in Europa ziemlich stabil auf Banken und Versicherungen konzentriert, Aktien und Fonds haben ihre Anteile nicht nachhaltig steigern können.

Auf der Nachfragerseite dominieren in Euroland die Klein- und Mittelbetriebe. Und selbst die größeren Betriebe, also in Deutschland der gehobene Mittelstand, sind oft familiengeführte Unternehmen mit einer langen Familientradition und nur begrenzten Bereitschaft, sich dem Kapitalmarkt mit seinen Regeln zu öffnen.

Euroland wird bei seiner Wirtschaftsfinanzierung – ganz im Gegensatz zu den USA -  auf lange Zeit von einem funktionierenden Bankensystem und einer funktionierenden Refinanzierung der Banken abhängig sein. Seine Banken müssen daher in der Lage sein, die Unternehmen über alle Lebenszyklen hinweg ausreichend mit kurz- und langfristigen Fremdfinanzierungsmitteln zu versorgen. Sie müssen ihre Kunden als Ex- und Importeure  mit den entsprechenden Produkten weltweit begleiten und als Global Player auch ihren Kunden mit langfristigen Investitionsfinanzierungen aber auch Absatzfinanzierungen weltweit zur Verfügung stehen. Idealerweise sollten diese Banken auch in der Lage sein, sich flexibel zu refinanzieren, d.h. Zugang zu den europäischen Einlagen aber auch den Anleihen- und Verbriefungsmärkten haben und zudem ihre Risiken unter Zuhilfenahme entsprechender Instrumente  managen können.

Gerade die deutschen Erfahrungen zeigen, was die Verbriefungstechnik zur Unterstützung der Wirtschaftsfinanzierung leisten kann:

  • Banken stellen Handels-, Industrie- und Leasingunternehmen Plattformen zur Verbriefung ihrer Handels- und Leasingforderungen zur Verfügung. Aktuell werden diese mit über zwölf Mrd. Euro p.a. genutzt.
  • Die deutschen Autohersteller verbriefen in einem hohen zweistelligen Milliardenbetrag ihre Absatzfinanzierungen weltweit.
  • Deutsche Banken verbrieften vor der Krise Teile ihre Unternehmensfinanzierungen true sale und synthetisch. Letzeres im Wesentlichen über die KfW Verbriefungsplattform PROMISE.

Dabei kommt es darauf an, dass die jeweiligen kapitalmarktnahen Finanzierungsinstrumente zu der familienorientierten Eigentümerstruktur des deutschen Mittelstandes passen, d.h. sich in die gegebene Führungs-, Entscheidungs- und Informationskultur einfügen.

ABS basierte Finanzierungsinstrumente für mittelständische Unternehmen (beispielsweise die Verbriefung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen) tragen diesem Gedanken in besonderer Weise Rechnung. Der Mittelstand erhält durch eine Verbriefung direkten bzw. indirekten Zugang zu dem ansonsten versperrten Kapitalmarkt.

Ein entscheidender Vorteil einer Finanzierung über ABS ist, dass ein externes Rating des mittelständischen Unternehmens nicht erforderlich ist. ABS basierte Finanzierungsinstrumente verbreitern die Finanzierungsbasis und tragen in der Regel dazu bei, die Kapitalkosten des Unternehmens zu senken sowie das Risiko- und auch das Debitorenmanagement zu verbessern.

Dies alles macht das mittelständische Unternehmen unabhängiger und verbessert seine internationale Wettbewerbsfähigkeit. Letztlich schaffen ABS-basierte Finanzierungen auch Freiräume für neue Investitionen und mehr Wachstum.

 

Die Vorteile einer ABS-Finanzierung im Überblick

  • Zugang zum Kapitalmarkt ohne externes Unternehmensrating
  • Günstige Refinanzierungskosten
  • Bilanzschonende Finanzierung
  • Reduktion der Kapitalkosten
  • Verbreiterung der Finanzierungsbasis
  • Verbesserung der Eigenkapitalquote durch Bilanzverkürzung
  • Kompatibilität mit der mittelständischen Leitungs- und Unternehmenskultur
  • Transfer von Risiken an den Kapitalmarkt
  • Risikoverteilung verbessert sich
  • Zinsrisikomanagement verbessert sich

zum ZfgK Artikel 9/2014
"Banken, Kapitalmarkt, Finanzierung der Wirtschaft und Verbriefung" von Hartmut Bechtold

 

Weitere Informationen zur Struktur der deutschen und Wirtschaftsfinanzierung und der Bedeutung von Verbriefungen erhalten Sie über folgende Links:

EU Capital Markets Union: Wer finanziert künftig den Mittelstand in Deutschland und Europa?

EU-Kapitalmarktunion nimmt langsam Fahrt auf

Investitionen und Investitionsfinanzierung in Europa

EZB zur bankbasierten Wirtschaftsfinanzierung, systemischem Risiko und Wachstum

Verbriefungen der Realwirtschaft – ein Instrument mit hohem Finanzierungspotential

Verbriefung von realwirtschaftlichen Forderungen gewinnt weiter an Bedeutung – Volumenentwicklung und Performance überzeugen